Für meinen neuen Roman "Rabenruf - Verschwörung in Schottland", den dritten Band der Pfotenpakt-Saga, stürze ich mich kopfüber in das Leben einer der faszinierendsten und umstrittensten Frauen der Geschichte: Maria Stuart. Und je tiefer ich grabe, desto klarer wird: Es gibt nicht DIE eine Maria Stuart. Es gibt mindestens zwei.
Auf der einen Seite die Mörderin, die Verräterin, die "schwarze Witwe", die von ihren Feinden als politisches Monster gezeichnet wurde. Auf der anderen Seite die Märtyrerin, die tragische Heldin, die von Dichtern und Filmemachern zur romantischen Ikone verklärt wird.
Heilige oder Hure? Täterin oder Opfer? Die Geschichtsbücher streiten sich bis heute. Aber sie alle übersehen die wichtigsten Zeugen...
Die Königin der tausend Gesichter
Die Akte "Monster": Schillers Drama zeichnet sie als "hinterhältige Mörderin", die englische Propaganda ihrer Zeit als blutrünstige Verschwörerin. Man wirft ihr politische Naivität vor, katastrophale Männerwahl und eine Mitschuld am Tod ihres zweiten Ehemanns, Lord Darnley. Ein Bild, das bis heute nachwirkt.
Die Fakten scheinen eindeutig: Darnley wurde ermordet, kurz nachdem er und Maria sich nach einer stürmischen Auseinandersetzung "versöhnt" hatten. Kaum drei Monate später heiratete sie den Mann, der als Hauptverdächtiger für diesen Mord galt – James Hepburn, Earl of Bothwell. Die zeitgenössischen "Casket Letters", angeblich von Maria selbst geschrieben, schienen ihre Mitschuld zu beweisen. Ein klarer Fall?
Die Akte "Märtyrerin": Serien wie "Reign" stilisieren sie zur Heldin eines Liebesdramas, Stefan Zweig machte sie zur tragischen Figur eines unbarmherzigen Schicksals. Eine wunderschöne, von Liebe und Leidenschaft getriebene Königin, die am Ende unschuldig sterben musste.
Auch hierfür gibt es Belege: Die "Casket Letters" wurden nie im Original gefunden, nur in "Übersetzungen" – ein klassisches Zeichen für Fälschungen. Maria wurde ohne echten Prozess zum Tode verurteilt, auf der Basis von Beweisen, die heute vor keinem Gericht standhalten würden. Und ihr Gang zur Hinrichtung – aufrecht, in scharlachrotem Kleid, der Farbe der Märtyrer – zeugt von einer inneren Stärke, die kaum zu einer schuldbeladenen Mörderin passt.
Und wo, zwischen diesen beiden Extremen, liegt die Wahrheit?
Die vergessene Maria
Es gibt noch eine dritte Maria Stuart, die in den Geschichtsbüchern oft übersehen wird. Die junge Frau, die schon mit 6 Tagen zur Königin gekrönt wurde und mit fünf Jahren ihre Heimat verlassen musste, um in Frankreich aufzuwachsen. Die mit 15 Jahren verheiratet und mit 16 zur Königin von Frankreich wurde. Die mit 18 Jahren ihren ersten Ehemann und mit ihm alles verlor, was ihr vertraut war.
Als sie nach Schottland zurückkehrte, kam sie als Fremde in ihr eigenes Land. Sie sprach die Sprache des Hofes mit französischem Akzent. Sie war katholisch in einem Land, das gerade protestantisch geworden war. Sie war eine Frau in einer Welt, in der nur Männer die Regeln machten.
Diese Maria – jung, verängstigt, allein – ist die, die mich am meisten interessiert. Denn sie ist weder Monster noch Märtyrerin. Sie ist ein Mensch, gefangen zwischen unmöglichen Entscheidungen.
Warum Maria Stuart in einem Tierroman?
Als ich begann, über das nächste Abenteuer für Schnurri und Nala nachzudenken, wusste ich, dass ich etwas Besonderes wollte. Etwas, das sowohl historisch bedeutsam als auch emotional packend ist. Maria Stuart drängte sich förmlich auf.
Ihre Geschichte ist ein perfektes Beispiel für das, was mich an Geschichte fasziniert: nicht die großen Schlachten oder politischen Manöver, sondern die menschlichen Dramen dahinter. Die Ängste, Hoffnungen und unmöglichen Entscheidungen, vor denen Menschen stehen, wenn die Welt um sie herum in Flammen steht.
Und wer könnte diese Dramen besser bezeugen als die Tiere an ihrer Seite?
Die Tierperspektive: Die ultimative Wahrheitsfindung
Mein Job als Romanautorin ist es nicht, diesen historischen Streit zu schlichten. Mein Job ist es, eine dritte Perspektive zu finden. Eine, die nicht lügen kann.
Die Perspektive der Tiere an ihrer Seite.
Ein Hund versteht nichts von Thronansprüchen. Eine Katze schert sich nicht um religiöse Konflikte. Aber sie sind unfehlbare Seismographen für die Wahrheit dahinter. Sie riechen Angstschweiß unter königlichem Parfüm. Sie spüren die Einsamkeit in einem überfüllten Thronsaal. Sie erkennen einen Verräter am Zittern seiner Knie.
Wenn Schnurri und Nala in "Rabenruf" also durch ein Portal ins Schottland des 16. Jahrhunderts reisen, begegnen sie nicht der Maria aus den Geschichtsbüchern. Sie begegnen einer jungen Frau, deren Körpersprache, Geruch und Stimme mehr verraten, als sie selbst je zugeben würde.
Für Schnurri, die analytische Strategin, ist Maria ein faszinierendes Rätsel. Eine Frau, die in einem Spiel gefangen ist, dessen Regeln sie nicht geschrieben hat. Eine Königin, umgeben von Männern, die ihr Loyalität schwören, während sie nach ihrem Thron greifen.
Für Nala, die empathische Seele, ist Maria etwas ganz anderes: ein einsames Wesen, dessen Herz unter der Last der Krone zu brechen droht. Eine Frau, die sich nach nichts mehr sehnt als nach einem Ort, an dem sie einfach sie selbst sein kann.
Und für beide ist sie eine Mission, die wichtiger ist als jede zuvor.
Ein Blick durch die Augen der Unbestechlichen
In "Rabenruf - Verschwörung in Schottland" tauchen wir mit Schnurri und Nala ein in ein Schottland voller nebelverhangener Burgen, wo hinter jeder Ecke ein Verräter lauern könnte. Die Mauern sind kalt und feucht, der Wind pfeift durch die Ritzen der Fenster, und überall hallen die Schritte von Verschwörern wider.
Unsere Helden sehen nicht die Königin aus den Lehrbüchern, sondern eine junge Frau mit zitternden Händen, die sie vor ihrem Hofstaat verbirgt. Sie hören das leichte Zittern in ihrer Stimme, wenn sie mit John Knox spricht, dem feurigen Prediger, der sie öffentlich als "Götzendienerin" beschimpft. Sie spüren die Anspannung in ihren Schultern, wenn ihr Halbbruder Moray den Raum betritt – der Mann, der ihr offiziell die Treue schwört, während seine Augen kalt bleiben.
Durch Schnurris scharfe Beobachtung und Nalas unfehlbares Gespür für Emotionen erhalten wir Zugang zu einer Welt der Täuschungen, in der niemand ist, was er zu sein vorgibt. Wir sehen die geheimen Blicke, die versteckten Gesten, die leisen Worte, die in keinem Geschichtsbuch verzeichnet sind. Wir sind die unsichtbaren Beobachter am Rande der großen Bühne – und vielleicht sogar die unerwarteten Retter in einem Spiel, dessen Ausgang längst besiegelt scheint.
Die Wahrheit hinter der Maske
Ich erfinde nicht die Geschichte von Maria Stuart neu. Was ich tue, ist viel radikaler: Ich dekonstruiere die menschliche Geschichte auf ihren animalischen Kern. Durch die Augen von Schnurri und Nala enthüllt sich eine Wahrheit, die jenseits von politischen Agenden und historischen Urteilen liegt.
Sie sehen eine Frau, deren Parfüm nicht den Geruch der Angst überdecken kann. Eine Königin, deren elegante Haltung ein verzweifelter Versuch ist, die Kontrolle zu bewahren in einer Welt, die ihr entgleitet. Sie beobachten, wie Maria in ihren privaten Gemächern zusammenbricht, nur um sich Minuten später mit perfekter Maske wieder dem Hof zu stellen.
Diese emotionale Wahrheit ist es, die mich fasziniert. Nicht die Frage nach Schuld oder Unschuld, sondern die menschliche Erfahrung dahinter. Die Geschichte einer Frau, die versuchte, mit Anmut und Intelligenz in einer Welt zu bestehen, die nur die Sprache der Macht verstand. Die versuchte, Schach zu spielen, während ihre Gegner das Brett umwarfen und ihr an die Kehle sprangen.
Und vielleicht, nur vielleicht, erklärt diese Wahrheit auch, warum Maria am Ende in Scharlachrot zum Schafott ging – nicht als gebrochene Gefangene, sondern als Königin, die sich weigerte, ihre innere Würde aufzugeben.
Was glaubt ihr? War Maria Stuart Täterin oder Opfer? Oder vielleicht etwas viel Komplexeres – ein Mensch, der versuchte, in einer unmöglichen Welt zu überleben?
Bleibt gespannt!
Bis zum nächsten Mal – mit Pfoten und Herz, Katharina

